Nonstop, 2010, Videoinstallation im Raum 58


Nonstop bedeutet ohne Pause, ohne Unterbrechung oder Halt, durchgehend, endlos.
In ihrer neuen, für die Ausstellung in Raum 58 produzierten Videoarbeit führt Yvonne
Leinfelder (geb. 1972 in Las Palmas/Gran Canaria) den Betrachter in eben einer
solchen Endlosschleife durch ein zu gleichen Teilen reales wie virtuelles
Raumkonstrukt. Ihren Medienarbeiten legt Leinfelder zumeist sachliche Anordnungen
zu Grunde, die im Werk zu Vexierbildern werden. Auch das Videoprojekt von
Nonstop verwendet Bildmaterial von authentischen architektonischen Situationen,
das sie in der künstlerischen Bearbeitung zu einem nicht endenden Rundgang durch
ein von allem Objekthaften oder Narrativen befreiten Raumkontinuum
zusammenfügt. Die Frage nach den im realen Kontext unweigerlich wirksamen
Herrschaftsverhältnissen, die sich in der Architektur, dem Verhalten und Handeln
spiegeln, und dem Gebrauch von Räumen als eine vom menschlichen Körper
abgeleitete Vorstellung und kulturell soziale Bedingung, stellt sich damit noch nicht.
Der hier beschriebene Raum stellt eine Situation her, die noch vor jeder Ausformung,
Gerichtetheit und Interpretation liegt.

In der Videoprojektion von Nonstop steigt der Betrachter ein in einen Loop durch ein
konstruiertes Raumgebilde. In einer endlosen Fahrt führt Leinfelder den Blick durch
sich aneinander reihende, weiße Räume, ohne dass man an ein Ende, ein Ziel
gelangen würde. Der Videoblick bewegt sich vorwärts, tastet sich entlang an
Wänden, Böden, Raumwinkeln, zeigt Details von deren Oberflächen, ohne ihnen
Bedeutung geben zu wollen, macht den Raum selbst zwischen den Blickpunkten der
Kamera und den architektonischen Grenzen sichtbar. Immer wieder kippen die
Perspektiven und damit die Raumachsen, so dass die Raumordnung, die Gravität
aufgehoben ist, das Bezugssystem verschoben, verkehrt und abstrahiert wird. Es
gibt keine Schnitte oder filmischen Brüche im Video, durch die man wiederum aus
diesem virtuellen Raum fallen würde. Die Aufnahmen sind ineinander gemorphed
und werden so trotz ihrer realen Grundlage zum bewusst konstruierten Ort. Der Blick
gerät in eine Art Schwebezustand, jede Narration fehlt. Es wird ein Zustand
inszeniert und in der Zeit ausgedehnt, der eben jenen Augenblick fixiert, der vor dem
Beginn jeder Entscheidung und Handlung, vor jedem gestaltenden Eingriff oder
eingrenzenden Vorgaben steht. Der Moment des größten gestalterischen Potentials,
der höchsten Freiheit in Bezug darauf, ist gemeint. Alle Wege sind noch offen, alle
Handlungen möglich, jede Gestaltungsform ist noch eingeschlossen. Das Video setzt
jenes süße Gefühl der Zwischenwelt in Szene, wie wir es kurz vor dem Aufwachen
kennen, in dem man von realen Gegebenheiten unabhängig scheint und doch um
dessen Traumhaftigkeit bereits weiß.

Mit ihrer Videoarbeit bewegt sich Leinfelder aber auch selbst im Kontext
künstlerischer „Raumbilder“ zwischen Bildhauerei, Installation und Video. Der
architektonische Raum als Ausdruck und Metapher für persönliche oder kulturelle
Bedingungen, für psychische oder emotionale Zustände und Situationen, aber auch
als existentielle Erfahrung ist vertrautes Medium in der zeitgenössischen bildenden
Kunst. Schon in der Videoarbeit Simulation 1 (2008/2009), die dem Videoprojekt von
Nonstop vorangeht, war der leere Raum eine Art Bühne für Leinfelders künstlerische
Fragestellungen. In Simulation 1 ist der an sich nicht darstellbare physikalische Akt
der Entstehung und Ausdehnung von Licht thematisiert. Für das Projekt entwickelte
Leinfelder in Zusammenarbeit mit einem Physiker und einem Programmierer eine
Videosimulation, in der sie die aktuell gültigen, insgesamt aber nicht zu
vereinbarenden Modelle zur Bewegung von Licht in Szene setzt. Bei der Videoarbeit
Nonstop ist das Licht sozusagen bereits an.

Diana Ebster